So können wir es schaffen, regelmäßig sportlich aktiv zu sein
Wenn ich erzähle, dass ich im Rahmen meiner Doktorarbeit untersuche, wie es gelingen kann, Menschen zu regelmäßigem Sport zu bewegen, beobachte ich recht einheitliche Reaktionen. Die meisten wünschen, ich möge sie doch bitte als Erste informieren, sobald ich herausgefunden habe, wie das geht. Das Problem der sogenannten Intentions-Verhaltens-Lücke kennen also viele: Man müsste aktiver sein, irgendwie, denn regelmäßige Bewegung ist gut für die Gesundheit. Und das insbesondere in Zeiten, in denen wir immer mehr sitzen, gleichzeitig immer mehr Geld in die Fitnessbranche pumpen und zwischen beiden Extremen vor der Herausforderung stehen, nachhaltig gesund zu leben. Aber dann bleibt die Intention, aktiv zu sein, oftmals einfach das, was sie ist, nämlich eine bloße Motivation, und wird noch lange nicht ins angestrebte Verhalten selbst umgesetzt („morgen dann…“).
Ich will Spaß, ich mach Sport
Wenn ich dann unsere neusten Forschungserkenntnisse preisgebe, nehme ich beim Gegenüber oft Ernüchterung wahr. In unserer Studie haben wir über 13 Wochen hinweg die Teilnehmenden von Hochschulsportkursen in wöchentlichen Fragebögen gefragt, wie sie sich nach dem Sport fühlen und wie automatisch sie zu der Entscheidung gelangt sind, zum Sport zu gehen. Unsere Ergebnisse legen nahe, dass Spaß am Sport damit zusammenhängt, dass sich eine Gewohnheit bildet und somit die Aufrechterhaltung von Aktivität gefördert werden könnte. Eine Studie meiner Arbeitsgruppe ist dabei auf diese Stellschrauben gekommen:
Wer beim Sport die eigene Kompetenz erlebt, der erlebt dabei eher positive Emotionen. Dabei kommt auch dem Feedback durch Coaches eine wichtige Rolle zu, die entsprechend gut in sozial-emotionalen Fertigkeiten geschult werden sollten.
Soziale Interaktion ist ein weiterer Faktor, der den Spaß am Sport in der Gruppe vorantreiben kann. In Zeiten von Corona könnte dies zumindest durch verbindliche digitale Verabredungen mit Freunden ersetzt werden.
Förderlich für den Spaßfaktor kann aber auch Musik oder eine grüne Umgebung in der Natur sein, denn dann stellt Sport oft eine Abwechslung zum Alltag dar – besonders auch zum Home-Office. Diese Abwechslung liegt auch darin begründet, dass Sport uns in unserer technologiegestützten, anspruchsvollen Umwelt kognitiv abschalten lässt. Die Möglichkeit zur körperlichen Auslastung und individuellen Ausgestaltung, die der Sport oftmals im Gegenteil zu sitzenden Arbeitstätigkeiten bietet, machen zudem das gute Gefühl aus.
Diese Stellschrauben erinnern an die drei psychologischen Grundbedürfnisse entsprechend der Selbstbestimmungstheorie von Deci und Ryan: Kompetenz, soziale Eingebundenheit und Autonomie. Da hilft also nur, ehrlich zu sich zu sein und einen Sport zu suchen, der tatsächlich Spaß bringt. Was bringt es denn, sich für gefilterte Fotos in sozialen Medien im Fitnessstudio abzulichten und nach dem Foto-Shooting nie wiederzukehren, weil dieses Fitnessstudio vielleicht einfach nicht das Richtige für einen ist?
Wie Sport zur Gewohnheit wird
Spaß könnte also die Bildung der Gewohnheit vorantreiben, regelmäßig zum Sport zu gehen. Dabei gilt es aber, realistisch an die Sache ranzugehen und sich klarzumachen, dass das dauert und am Anfang jede Menge Selbstkontrolle erfordert. Es kann helfen, sich Wenn-Dann-Pläne (sog. „Implementierungsintentionen“) im Kopf zurechtzulegen, wie genau die Sportausübung aussehen soll oder wie man mit Widerständen umgehen würde. Aus dem ominösen „ich sollte abends mehr Sport treiben“ könnte so etwas Konkretes werden wie „wenn ich am Montag die Nachrichten geschaut habe, dann mache ich eine halbe Stunde Übungen auf meiner Matte zuhause“. Fürs Gehirn ist das am anvisierten Montag leichter, weil bereits eine Verknüpfung zwischen dem Ende der sehr sicher stattfindenden Nachrichtensendung und dem angestrebtem Verhalten entstanden ist. Montags ist dann jede Woche automatisch klar, was zu tun ist.
Autorin
Akademische Mitarbeiterin und Doktorandin am Institut für Sport und Sportwissenschaft (IfSS), Arbeitsbereich Gesundheitsbildung und Sportpsychologie.
Aber warum ist das besser? Das liegt an den Eigenschaften von Gewohnheiten. Es erfordert keiner anstrengenden Kosten-Nutzen-Analyse, sich gewohnheitsmäßig jeden Montagabend aufs Sofa zu legen. Liegen zu bleiben ist sehr leicht. Und genau darin liegt der vielversprechende Clou: Ein Hinweisreiz aktiviert ganz automatisch, ohne gedankliches Zutun, das Verhalten. Wir müssen das Verhalten nur oft genug in ähnlichen Situationen als Reaktion auf diesen Reiz ausüben, sodass das Gehirn beides zu verknüpfen lernt. Wenn wir also langfristig die leidige Diskussion mit dem inneren Schweinehund umgehen wollen, wäre es hilfreich, wenn uns der Hinweisreiz ganz automatisch zum Sport verleitet, ohne dass es da noch einer aufwändigen Abwägung bedarf. Ist die Motivation an einem Tag gering, so kann uns die Gewohnheit dabei helfen, trotzdem Sport zu treiben.
Das entspricht der Vorstellung von Zwei-Prozess-Modellen: Wir denken und wägen nicht nur auf langsame Weise ab (explizites, reflektierendes System), sondern gehen auch automatischen, von Affekt geleiteten Impulsen nach (implizites, automatisches System). Diese beiden Systeme streiten sich um die Kontrolle über das Verhalten. Wenn die Ressourcen des Menschen ziemlich aufgebraucht sind, zum Beispiel wenig Selbst-Kontrolle zur Verfügung steht, etwa weil man durch die erdrückende Nachrichtenlage oder die Arbeit im Homeoffice plus Kinderbetreuung bereits erschöpft ist, gewinnt eher das implizite System. Ergebnis: Der Mensch geht seinem Impuls nach. Dieser Impuls sollte also nicht lauten, auf dem Sofa liegen zu bleiben, sondern zu den Sportschuhen zu greifen. Vielleicht macht das am Ende ja wirklich Spaß.
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