Erst „Zwitschern“ dann „Tröten“ – Das KIT-Zentrum Mensch und Technik startet auf Mastodon

Soziale Medien sind in der Wissenschaft kaum noch wegzudenken. Jedoch erfährt die relevante Plattform Twitter seit der Übernahme durch Elon Musk viel Kritik. Dies ist auch Anlass für MuT in das Fediverse aufzubrechen.
Symbole von Twitter und Mastodon auf MobiltelefonAdobe Stock_Ascannio

Twitter – quo vadis?

Die Übernahme von Twitter durch den Multiunternehmer und Chef des Elektroautoherstellers Tesla, Elon Musk, am 28. Oktober 2022 hat bei Twitter-Nutzer:innen und darüber hinaus in der breiten Öffentlichkeit für Unruhe gesorgt. Grund dafür sind die potenziellen tiefgreifenden Änderungen in der Struktur des Netzwerks, das mittlerweile aus der gesellschaftlichen und politischen Öffentlichkeit kaum mehr wegzudenken ist. Viele Befürchtungen bestätigten sich dann nach dem Verkauf von Twitter an Musk. Neben der Entlassung von weiten Teilen der Belegschaft gab es weitreichende, intrasparente Entwicklungen, die die Nutzung von Twitter direkt betreffen. Um ein paar Beispiele zu nennen: die künftig kostenpflichtige Verifikation von Accounts, die Auflösung des Advisory Boards, die plötzliche Zunahme von Hasskommentaren und rechter Hetze, usw. „Twitter, quo vadis?“ will man dem Vogel zurufen. Hat sich das soziale Medium in den letzten Jahren doch als wertvoller Knotenpunkt für die globale Vernetzung von Akteur:innen aus Gesellschaft, Politik, Wirtschaft und insbesondere auch der Wissenschaft etabliert.

2006 startete Twitter als Kurznachrichtendienst, bei dem die Nachrichten auf 140 Zeichen begrenzt waren. Mittlerweile können ganze 280 Zeichen genutzt werden, um Inhalte zu teilen. Überraschend entwickelte sich die Plattform als beliebtes soziales Medium in der Wissenschaftswelt. Eine Studie zu der Nutzung von Twitter durch Wissenschaftler:innen aus dem Jahr 2020 fand heraus, dass v.a. in den Sozial- und Geisteswissenschaften getwittert wird, gefolgt von medizinischen Fächern. Forschende aus der Medizin haben jedoch pandemiebedingt einen größeren Raum bei Twitter eingenommen, mit prominenten Namen wie den Virolog:innen Christian Drosten und Melanie Brinkmann. Die Studie fand damals zudem, dass mehr als 40 Prozent der auf Twitter aktiven Wissenschaftler:innen aus den USA (26,6 Prozent) oder dem Vereinigten Königreich (15,1 Prozent) kamen.

Was macht Twitter so attraktiv für Forschende? Man kann relativ schnell ein großes Netzwerk aufbauen und hat so zum einen eine große Reichweite bei der Verbreitung von Studienergebnissen und bekommt zum anderen direkt Neuigkeiten anderer Wissenschaftler:innen mit. Während zu Beginn Freund:innen und Kolleg:innen zu den Follower:innen zählen, so erweitert sich dieses Netzwerk dank des Algorithmus rasch um Peers mit ähnlichen Forschungsinteressen. Publikationen, Veranstaltungen und auch Stellenanzeigen verbreiten sich schnell und effektiv und geographische sowie hierarchische Barrieren werden hier bedeutungslos(er). Der Algorithmus bei Twitter hilft also, ein umfassendes Netzwerk aufzubauen. Gleichzeitig wird dieser auch (zurecht) kritisiert. Nicht jeder Tweet hat die gleiche Chance wahrgenommen zu werden und es findet eine Vorsortierung statt. Spätestens nach der Twitter-Nutzung von Ex-Präsident Trump ist bekannt, dass populistische und skandalöse Tweets lukrativ sind; schließlich verdient Twitter durch Anzeigenkunden, die auf viele Klicks angewiesen sind. Ein weiterer Punkt, mit dem Twitter und manche seine:r Nutzer:innen negativ auffallen, ist der teils harsche Umgangston, selbst in der Wissenschaftscommunity. Gerade in umstrittenen Feldern wie der Immunologie oder beim Thema Impfungen kommen nicht selten Beleidigungen und Fake News vor.  

Mit der Übernahme von Twitter durch Elon Musk wurden nun bestimmte personelle Kontrollmechanismen abgebaut, etwa die Kontrolle von Desinformation. Dies führt dazu, dass Anzeigenkunden aber auch Wissenschaftler:innen sich von der Plattform abwenden. Neben finanziellen Konsequenzen für die Plattform könnte auch ein brain drain stattfinden. Der „Science Twitter“ Community gefällt das neue Auftreten nicht und wichtige Akteur:innen ziehen weiter. Es ist daher nicht überraschend, dass in dieser turbulenten Zeit ein neues Netzwerk verstärkten Zulauf erhält: Mastodon! In diesem Artikel erklären wir, warum auch das Zentrum Mensch und Technik von den Chancen des alternativen Mediums überzeugt ist.

Das dezentrale Netzwerk Mastodon

Auf der Suche nach Alternativen zu Twitter hat sich vor allem das Netzwerk Mastodon herauskristallisiert. Allein vom 27. Oktober bis zum 10. November 2022 sind rund eine halbe Million neue Nutzer:innen zu Mastodon gestoßen, was in etwa einer Verdoppelung seiner Nutzer:innenbasis entspricht. Mastodon ist ein dezentrales soziales Netzwerk, wird also nicht von einem großen Unternehmen und einem zentralen Server betrieben. Es gibt keine:n Eigentümer:in des Netzwerkes und es kann somit auch nicht verkauft werden. Vielmehr wird es von den einer Vielzahl an Akteur:innen getragen, die sogenannte Instanzen für ihre Communities bereitstellen. Um Beispiele zu nennen: Das Karlsruher Institut für Technologie (KIT) ist bereits seit Juli 2021 auf Mastodon und nutzt die Instanz mastodon.social. Das BMBF dagegen ist auf social.bund.de zu finden. Neue Mastodon-Nutzer:innen müssen sich also anfangs für eine Instanz entscheiden, ein Umzug zum späteren Zeitpunkt ist aber sehr einfach möglich. Die Moderation wird von den einzelnen Instanzen übernommen, wodurch eine freie und respektvolle Kommunikation ermöglicht werden soll. Die Instanzen ermöglichen darüber hinaus auch, dass sich thematisch Gleichgesinnte finden lassen, mit denen man ins Gespräch kommen kann.

Grunderegel bei Mastodon als Screenshot
Die Grundregeln bei Mastodon beruhen auf einem respektvollen Miteinander

Die dezentrale Struktur bringt also viele Vorteile mit sich, allerdings werden andere Nutzer:innen und Inhalte nun nicht mehr durch einen Algorithmus vorgeschlagen und der Informationsfluss wird ineffektiver. Man muss aktiv nach Inhalten suchen und sich mit interessanten Menschen vernetzen. Eine erste Beobachtung: Während man über Mastodon besser mit Gleichgesinnten ins Gespräch kommen kann, ist bei Twitter die Reichweite größer.

Es ist noch unklar, wie sich die Wissenschaftskommunikation in den sozialen Medien weiterentwickeln wird. Sie steht vor mannigfaltigen Herausforderungen aber auch neuen Möglichkeiten. Sicher ist nur, dass auch in Zukunft soziale Netzwerke eine zentrale Rolle für Wissenschaftler:innen spielen werden, damit diese ihre Forschungsaktivitäten möglichst weit, und damit auch demokratisch, verbreiten können.

Das KIT-Zentrum Mensch und Technik hat sich entschieden, einen Account bei Mastodon anzulegen und den Account bei Twitter vorerst parallel weiterzunutzen. Diese Entscheidung haben wir getroffen, da wir insbesondere die Dezentralität der quelloffenen, freien Software schätzen. Ab jetzt trötet das Zentrum unter @MuT_KIT@mastodon.social. 

Zum Weiterlesen:

Stokel-Walker, C. (2022): Jetzt noch schnell einen Mastodon-Account anlegen? In: Spektrum.de.

Autor:innen

Markus Szaguhn

profilbild Markus Szaguhn

Markus Szaguhn ist Doktorand am Institut für Technikfolgenabschätzung und Systemanalyse (ITAS) des KIT und arbeitet im Feld der transformativen Nachaltigkeitsforschung. Er ist seit 2016 als Dozent tätig, derzeit an der Ostschweizer Fachhochschule in St. Gallen.
Social Media: Twitter & Mastodon

Dr. Judith Müller

Profilbild Judith Müller

Dr. Judith Müller ist Geschäftsführerin des KIT-Zentrum Mensch und Technik (MuT) und Lehrbeauftragte am Institut für Regionalwissenschaft des KIT. Ihre Forschungsinteressen liegen im Bereich der nachhaltigen Stadtentwicklung. Sie ist zudem Redaktionsleiterin des Forschungsblogs.