Leitplanken für Tiefengeothermie-Anlagen

Tiefengeothermie-Anlagen sollten gemeinschaftlich mit den umliegenden Kommunen umgesetzt werden. Was das bedeutet, zeigen die Autorinnen, die im Projekt GECKO gemeinsam mit Bürger:innen und Stakeholdern Handlungsempfehlungen entwickelt haben.
Bunte würfel bilden Schriftzug Energiewende

Ein schneller regionaler Ausbau von erneuerbaren Energiequellen ist in Zeiten der Energiekrise dringlicher denn je. Essentiell ist dabei die Wahrnehmung der Sorgen und Wünsche der Anwohner:innen und betroffener Interessenvertreter:innen während der Planung und Umsetzung der Projekte. Erstens bringen sie neue Perspektiven mit dem Potential für Verbesserungen ein. Zweitens können die Nichtachtung der Interessen zu Protesten führen, die ein Vorhaben verzögern oder gar verhindern können. Das gilt auch für die Nutzung der Tiefengeothermie. Die Erdwärme aus einer Tiefe zwischen 400 und 5.000 Metern eignet sich für die Wärmeversorgung von Kommunen sowie für die Stromerzeugung. Eine gemeinschaftliche Planung einer Tiefengeothermie-Anlage garantiert zwar keine konfliktfreie Umsetzung, erhöht aber bei guter Durchführung die Chance, dass mögliche Konflikte frühzeitig erkannt und bearbeitet werden können.

Der Blogbeitrag „Wärmewende zum Mitmachen: das Projekt GECKO am KIT“ hat den Ansatz vorgestellt: In für Geothermievorhaben einzigartiger inter- und transdisziplinärer Weise wurden Handlungsempfehlungen für den Bau und Betrieb einer Tiefengeothermie-Anlage erarbeitet. Diese gelten zum einen speziell für den Campus Nord des KIT, zum anderen aber auch allgemein für Tiefengeothermie-Anlagen. Die Bürger:innen und Stakeholder haben in Workshops Kriterien zur Nutzung der Tiefengeothermie erarbeitet. Auf deren Basis haben wir Szenarien entwickelt, die für verschiedene Teilhabemöglichkeiten der Kommunen an der Wärmenutzung standen und diese dann mit den Teilnehmenden diskutiert. Das Ergebnis dieses Diskurses stellten wir schließlich den an der Umsetzung beteiligten Akteur:innen vor. Basierend auf den Rückmeldungen zu und den Ergebnissen des gesamten GECKO-Prozesses entwickelten wir vier zentrale Handlungsempfehlungen:

  1. Erarbeitung einer gemeinsamen Vision der Wärmewende
    Projektierer:innen, Stakeholder, Bürger:innen und weitere Beteiligte sollten sich als Team verstehen und zusammen an einer gemeinsamen Vision arbeiten. Die entwickelte Vision beschreibt, wie die zukünftige regenerative Energie- und Wärmeversorgung ausgestaltet werden kann und wie Tiefengeothermie in dieses Gesamtkonzept eingebettet ist. Insbesondere das Szenario der Wärmeabgabe der Geothermie-Anlage an die umliegenden Kommunen ist auf seine Realisierbarkeit zu prüfen und könnte die Basis für die Entwicklung einer gemeinsamen Vision bilden. Die planerischen und technischen Eckpunkte, die im Projekt GECKO identifiziert wurden, sollten dabei berücksichtigt werden.
     
  2. Transparenz durch Dialog und Kommunikation
    Die im Projekt GECKO begonnene proaktive Kommunikation und der Dialog sind fortzuführen. Dies bedeutet, dass über alle Projektphasen hinweg auf unterschiedlichen Kanälen und für verschiedene Zielgruppen Informationen bereitgestellt und Gesprächsangebote realisiert werden sollten. Wir empfehlen die Umsetzung weiterer partizipativer Formate in der konkreten Umsetzungs- und Betriebsphase des Tiefengeothermievorhabens. Ein kontinuierliches, mit Stakeholdern und Bürger:innen abgestimmtes Monitoring ist unerlässlich für die gemeinschaftliche Konzeption einer Wärmeversorgung.
     
  3. Unabhängige wissenschaftliche Beratung und Moderation
    Ein interdisziplinärer Beirat zur „neutralen“ Beratung sollte etabliert werden. Es empfiehlt sich, diesen mit unabhängigen Expert:innen der unterschiedlichen relevanten Disziplinen zu besetzen. Die unabhängigen Expert:innen sollten paritätisch identifiziert und bestellt werden. Vertreter:innen der Projektierer:innen, Kommunen und Interessensgruppen schlagen Beiratsmitglieder vor. Alle Beiratsmitglieder sollten vom Projektierer, den Kommunen und Interessensvertretern gewählt bzw. akzeptiert werden. Wir empfehlen, externe Wissenschaftler:innen einzubinden, die unvoreingenommen oder kritisch Stellung zur Anlage nehmen können. Die konkrete Ausgestaltung der Beratung und Besetzung des Beirats sollte auf einem Konsens unter allen Beteiligten basieren.
     
  4. Lokale planerische Teilhabe sowie ökonomischer und ideeller Nutzen
    Die Kommunen in der Nachbarschaft sind an der Wärmenutzung im Sinne einer ökonomischen und ideellen Teilhabe interessiert. Dies sollte frühzeitig als Option mit den umliegenden Kommunen diskutiert und die gegebenen Potenziale bewertet werden. Methodisch könnte ein Reallabor genutzt werden, um als Plattform für die Beratung von Kommuneren beim Ausbau eigener Anlagen zur Verfügung zu stehen und diesen Prozess sozialwissenschaftlich zu beforschen. Dabei können sie von vorhandenem Wissen zu nachhaltigen technischen Optionen und Beteiligungsformaten profitieren.

Klar ist: das Projekt GECKO kann nur der Anfang gewesen sein. Dies fordern auch die Teilnehmenden mit ihrem zentralen Wunsch „Weiter so“ in der Evaluierungsphase von GECKO.

Ergebnisse einer Evaluation auf gelben Postits
Abb. 1: Ergebnisse der Evaluierung des GECKO-Projekts

Der nächste Schritt wäre, das Grundanliegen des GECKO-Prozesses weiterzuführen und einen Raum zu schaffen, in dem interessierte Bürger:innen und Stakeholder weiter gemeinsam über die Ausgestaltung des Vorhabens beraten. Denkt man die erarbeiteten Handlungsempfehlungen weiter, wäre ein Experimentierraum – wie beispielsweise ein Reallabor – wünschenswert, in dem Wissenschaft, Bürger:innen, Industrie und Stakeholder gemeinsam neue Ideen der Teilhabe und Partizipation entwickeln und testen können.

 

Autorinnen

Christine Rösch

Portraitfoto Rösch

Dr. Christine Rösch ist eine inter- und transdisziplinäre tätige Wissenschaftlerin. Ihre Expertise ist die Erforschung und Unterstützung von Transformationsprozessen im Energiebereich auf System- und Technologieebene. Sie leitet die Forschungsgruppe Nachhaltige Bioökonomie am ITAS und die sozialwissenschaftlichen Arbeiten im Projekt GECKO.

Sophie Kuppler

Portraitfoto KupplerDr. Sophie Kuppler forscht unter anderem zu Beteiligungsprozessen bei der Errichtung von Energieinfrastrukturanlagen. Besonderen Fokus legt sie dabei auf das Zusammenspiel formeller und informeller Entscheidungsprozesse (Governance) und Konflikte. Sie leitet die Forschungsgruppe Endlagerung als soziotechnisches Projekt am ITAS.

Christina Benighaus

Portraitfoto Benighaus

Eva Schill

Professorin für Geophysik von Reservoirsystemen und Leiterin des Clusters Geoenergie am KIT INE